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Einmarsch in Orleans - Kampf und Sieg

Ehe Jeanne Tours verläßt, hat sie noch eine liebe Freude. Ein Gruß der Mutter erreicht sie, ihre liebe Sorge schickt ihr einen frommen Priester Fr. Johann Pâquerel zu, der ihr als Feldgeistlicher von nun an treu zur Seite steht. Am Wallfahrtsort Puy-en-Velay war Isabelle Romée mit Jeannes treuen Gefolgsmannen Johann von Metz und Bertrand von Poulengy zusammengetroffen. Ach wieviel Herzensangst hatten Vater und Mutter um ihr Kind ausgestanden; wie viele bittere Zähren um sie geweint! Es war, als sei der Sonnenschein aus ihrem Hause gewichen. Mit ihnen trauerten die Geschwister. Nun aber kann die Mutter trostreiche Botschaft nach Hause bringen. Auch Jeannes Brüdern soll die Ehre zuteile werden, in des Dauphins Heer zu dienen und ihrer Schwester nahe zu sein. Sie wird in den Grafenstand erhoben. Ihr Gefolge wird erweitert. Johann von Aulon wird ihr Waffenmeister. Sie wird dem Heere als Führerin zugeführt.

Aber die Hauptleute spotten über sie und murren über des Dauphins Anordnungen. Da tritt La Hire, einer der tapfersten Ritter, vor und schwört, ihr mit seiner Kompagnie zu dienen, möge sie diese führen, wohin immer sie wolle. Das Beispiel wirkte; der Widerstand war gebrochen. Nun bereitete Jeanne die Soldaten zum Kampf vor - anders, als andere Heerführer es bisher getan. Die Gottgesandte verlangte, daß die Soldaten in der Beichte ihr Gewissen reinigten, verbot die Unsitte des Fluchens, hieß schlechte Weiber von ihnen weichen. Am 27. April 1429 brach die Truppe von Blois nach Orleans auf. Voran schritt die Geistlichkeit, Hymnen singend, unter der Fahne des Gekreuzigten. Am Mittag des 28. April kamen die Mauern von Orelans in Sicht. Der Bâtard, Graf von Dunois, kommt ihnen auf seinem Boote entgegen und es entspinnt sich folgendes Gespräch zwischen ihm und der Jungfrau: "Seid Ihr der Bâtard von Orleans?" "Ich bin es und freue mich über Deine Ankunft!" "Seid Ihr es, der den Rat gegeben hat, von dieser Seite des Flusses anzukommen und nicht in direkter Richtung, wo Talbot und die Engländer sind?" "Ja, der Sicherheit wegen und auf Rat jener, die weiser sind als ich." "Im Namen Gottes", schließt Jeanne, "der Rat unseres Herrn ist sicherer und weiser als der Eurige. Ihr glaubtet, mich täuschen zu können und Ihr habt Euch selbst getäuscht; denn ich führe Euch bessere Hilfe zu als jemals einem General oder einer Stadt zuteil geworden ist: ist es doch die Hilfe des Himmels. Sie geht nicht von mir aus, sondern von Gott selbst, der auf Bitten von Sankt Ludwig und Sankt Karl dem Großen mit der Stadt Orleans Mitleid hatte und nicht dulden konnte, daß die Feinde mit dem Herzog zugleich die Stadt in Besitz hätten." Gott bekräftigte ihre Worte durch ein Wunder, indem er im selben Augenblick den Schiffen günstigen Wind sandte zum Erstaunen aller. So gelangten die Lebensmittel ohne Behinderung von seiten der Engländer unversehrt in die Feste, wie Jeanne es vorausgesagt hatte.

Freitag abend, den 29. April, hielt die Jungfrau ihren Einzug in die Stadt. Jubelnd eilten Bürger und Soldaten herbei, um sie in Ehrfurcht zu begrüßen. Fackeln leuchteten auf und erhellten das Bild. Da sah man ein siebzehnjähriges Mädchen in voller Waffenrüstung, mit kräftig schönen Zügen, in edler Haltung den weißen Zelter reitend, vorauf der Fahnenträger, zur Seite Graf Dunois, gefolgt von den Heerführern: Marschall von Boussac, Florent von Illiers, La Hire, Xaintrailles, Adligen und den Angesehensten der Bürgerschaft. Zur Kathedrale ging der Zug, Dank zu sagen für die Wunder des Himmels, - dann zu ihrer Wohnung im Hause des Schatzmeisters Jakob Boucher, im "Hotel de L'Annonciade". Auch ihr ganzes Gefolge, darunter ihre beiden Brüder, wurden dortselbst freundlich aufgenommen. Trotz der Strapazen des Tages lehnte sie dankend den reichlichen Abendimbiß ab, nahm nur etwas Brot, das sie in Wasser und Wein tunkte, getreu der Sitte, Freitags zu fasten. Sie teilte das Schlafgemacht mit dem zehnjährigen Töchterchen des Hauses, Charlotte.

Am folgenden Morgen empfing sie in frommer Andacht die heilige Kommunion im Oratorium des Hauses. Eine Unmenge Volkes aber harrte schon draußen und verlangte stürmisch, sie zu sehen. Kaum konnte sie ihr Pferd durch die Volksmenge leiten. Ihr erster Besuch galt der Kirche; ihr zweiter Graf Dunois. Botschaften gingen zum englischen Heer. Scheinbar wurden sie verschmäht, und doch bezeugt Graf Dunois selbst: "Seit jener Stunde, in der die von Jeanne diktierten Briefe Talbot abgeliefert wurden, hat die Sachlage sich geändert: vorher haben 200 Engländer 800 oder 1000 Königliche verjagt, danach aber haben 400 oder 500 Königliche gegen die ganze Kriegsmacht der Engländer gekämpft, so daß sie kaum mehr gewagt haben, aus ihren Bastionen und Deckungen herauszugehen." Am 2. Mai besichtigt sie kühn die Befestigungen der Feinde. Niemand rührt sich. Am 3. Mai, dem Feste Kreuzerfindung, erbittet die Bevölkerung von Orleans zusammen mit den streitbaren Truppen den Waffensegen durch eine feierliche Prozession. Als sie in die Kathedrale einziehen, macht ein angesehener Theologe Jeanne auf die schwierige Lage zur Befreiung Orleans aufmerksam. "Bei Gott ist kein Ding unmöglich", antwortet sie beherzt.

Am 3. Mai stoßen die Garnisonen von Montargis, Gien und Chateaurenard zu den übrigen. Am 4. Mai zieht unter dem Gesang der Priester die 2. Abordnung mit Lebensmitteln unversehrt vor den Augen der Engländer in Orleans ein. Böse Nachricht: Falstolf, der gefürchtete englische Heerführer, naht mit Truppen und Proviant.
Jeanne bittet Graf Dunois um nötigen Bescheid. Er sagt zu, - handelt aber anders. Jeanne, ermüdet, hatte sich aufs Lager hingestreckt. Plötzlich wecken sie ihre Stimmen:
"Das Blut unserer Leute fließt zur Erde! - Meine Waffen! - mein Pferd!..." Jean d'Aulon eilt herbei. Zum großen Erstaunen aller leitet sie gleich zum rechten Ort. Verwundete kommen ihr entgegen. Zum ersten Male sieht sie die Schrecken des Krieges, ganz nahe, ganz furchtbar. Ihr mitleidiges Herz erzittert, - aber sie stürmt voran, den Flüchtigen entgegen. Sie gibt das Zeichen zum Angriff. - Nach drei Stunden des Kampfes ist das Fort Saint-Loup in ihren Händen. Sie gebietet Schonung den Gefangenen, fordert zur Buße auf für Plünderung, läßt Dank sagen in allen Kirchen Orleans Gott, dem großen Helfer, und jubelnd verkünden es die Glocken über der Stadt, der leise, ganz leise wie Frühlingsahnen die Hoffnung auf wundersame Rettung erwacht, Te Deum laudamus...

Der Morgen des Festes Christi Himmelfahrt stieg herauf. Jeanne holt sich wie fast täglich Kraft und Stärke in der heiligen Beichte und Kommunion. Und wie so oft erging an die Truppen strikter Befehl, das Bußsakrament zu empfangen und die Frauen von schlechtem Lebenswandel vom Heere zu verjagen; "denn", so begründete es die Gottgesandte, "Gott läßt den Verlust der Schlachten zu, um die Sünden der Menschen zu bestrafen." - Noch ein letztes Mal ergeht die Botschaft an die Feinde:

"Euch, Männer Englands, die Ihr kein Recht auf das Königreich Frankreich habt, gebietet der König des Himmels und verlangt durch mich, daß Ihr die Festungen zurücklasset und weggehet in Euer Land. Wenn das nicht geschieht, werde ich Euch eine solche Niederlage bringen, daß sie in ewigem Gedächtnis bleiben wird. Das schreibe ich nun zum dritten und letzten Male und ich werde nun nicht mehr schreiben.
(gez.) +Jhesus-Maria."


Sodann bittet sie um Austausch ihres gefangenen Herolds Guyenne. Umsonst. Man beleidigt sie tief. Jeanne weint bitterlich und betet. Siehe da, ihre Stimmen trösten sie. Am 6. Mai zieht sie an der Spitze von 4000 Mann aus der Stadt. Es gilt, die schreckenerregende Festung "des Augustins" einzunehmen. Kampfessturm, Kampfesnot. Schon hat die Jungfrau die Fahne auf den Wall gepflanzt, da geht ein Erschrecken durch die Reihen - man flieht vor der Überzahl der Gegner -, nur noch 5 oder 6 Krieger sind bei der Jungfrau und diese ziehen sie mit Gewalt zurück. Nicht lange hält sie es, da geht sie mit La Hire und anderen Hauptleuten zum Gegenstoß vor. Erstaunen und lähmender Schrecken und sinnlose Flucht auf der Seite des Feindes. Jeanne pflanzt zum zweiten Male ihr Banner auf; ihre Verwundung achtet sie nicht. Die Bastille ist gewonnen. - Kriegsrat wird am Abend gehalten. Der Lebensmittel sind genug, Verstärkung hat der Dauphin versprochen. Entgegen den Voraussagen Jeannes soll am folgenden Tage der Kampf abgesagt werden. Ein Bote meldet es ihr. Da kündet sie feierlich: "Ihr seid bei Eurem Rat gewesen, ich bei dem meinigen. Wißt denn, daß der Rat unseres Herrn sich erfüllen wird und fest bleibt, der eure dagegen wird zuschanden." Frater Pâquerel aber fordert sie auf, frühzeitig aufzustehen und in ihrer Nähe zu bleiben, da sie viel zu besorgen hat. "Ich werde die größten Dinge tun, wie ich sie bisher noch nicht vollbrachte." Sie sagt ihre Verwundung durch einen Pfeil voraus (wie schon zur Zeit in Chinon vor dem Könige), die Einnahme, aber auch den siegreichen Einzug in Orleans.

Am Morgen des 7. Mai hört Jeanne die heilige Messe, kommuniziert mit großer Andacht, zieht die Waffenrüstung an und verläßt nüchtern das Haus. Auf Befehl des obersten Rates aber hat man das Tor de Bourgogne verriegelt, Raoul von Gaucourt ist der gestrenge Hüter. Die Bürger aber bestürmen Jeanne und flehen: "Edle Jungfrau, wir bitten Euch, die Mission zu erfüllen, die Gott und der König Euch anvertraut haben." Sie läßt das Tor öffnen, sammelt die Hauptleute außerhalb Orleans, von selbst folgen die anderen. Der Kampf beginnt. Jeanne nimmt eine Leiter und versucht, damit den Wall zu erklettern - ein Pfeil trifft sie. Sie sinkt zurück und das Blut entfließt ihrer Wunde. Sie bricht in Tränen aus, - aber die Heiligen trösten sie. Ein abergläubisches Mittel weist sie ganz energisch zurück; vernünftige Heilmittel mag man ihr bringen. Das geschieht. Sie selbst zieht den Pfeil heraus, - dann beichtet sie unter Tränen. Den Augenblick benutzen die Generale zu kurzem Kriegsrat. Einstimmig ist der Beschluß: "Zurück!" Jeanne bittet um Verzögerung! Aber der Bâtard von Orleans läßt schon zum Abmarsch blasen. Da fährt Jeanne zusammen, sie springt auf, nicht achtend ihrer Wunde, und mit aller Bestimmtheit, der niemand wagt entgegenzutreten, erklärt sie: "Im Namen Gottes, bald werdet Ihr in das Fort des Tourelles einziehen. Wenn Ihr meine Standarte gegen die Bastille wehen seht, ergreift die Waffen, sie ist Euer! Nun aber ruht Euch noch aus, trinkt und eßt, um neue Kraft zu schöpfen." Man gehorcht. Sie selbst steigt zu Pferde, übergibt ihre Fahne d'Aulon. Einen Ritter beauftragt sie: "Laßt nicht meine Fahne aus den Augen, wenn sie den Wall berührt, verständigt mich!" Sie aber kniet am Rande eines Weinbergs nieder und betet. D'Aulon hält's nicht länger; die Fahne reicht er einem Soldaten le Basque. Sie stürmen zum Graben. "Jeanne", ruft der Ritter aus, "das Ende berührt sie." Jeanne springt aufs Pferd: "Vorwärts! Vorwärts!" ruft sie aus. - Alles ist Euer!" Sie setzt über den Graben, entreißt dem Soldaten die Fahne, pflanzt sie auf: "Alles ist Euer." Da fährt unerklärliche Kraft in die Truppen, - Kinderspiel scheint ihnen der Kampf. Siegreicher Angriff!
Klick: Bild 503kB: ,,Die Befreiung Orleans
durch Jeanne d`Arc´´; G. Mathieu 1982 Die Engländer erfaßt Todesschrecken. Sie verlassen den Mittelwall, schließen sich in die Feste ein. Glasdale, der Ritter, der die Junfgrau beleidigte, führt die Nachhut.
"Ergib dich dem König des Himmels!... ich hab' großes Mitleid mit euren Seelen." Er hört nicht, will nicht hören, obwohl vor ein paar Tagen Jeanne ihm im Weigerungsfalle den Tod voraussagte. Er betritt die Brücke, - da - ein Krach, - Flammen steigen auf, - sie weicht unter seinen Füßen. Glasdale versinkt in den Fluten der Loire und mit ihm seine Krieger. Orleans Bewohner haben eine Brücke geschlagen. Nikolaus von Giresme eilt darüber hinweg, legt eine Sturmleiter an die Feste Tourelles an; - Jeanne dringt von der anderen Seite ein, - pflanzt hoch auf die Zinne ihre siegreiche Standarte. Noch verweilt sie zur Vorsicht ein paar Stunden in der obersten Feste. - Te Deum laudamus! - läuten die Kirchenglocken von nah und fern. Nun zieht sie in Orleans ein, wie sie vorhergesagt, über die Brücke der Loire. Jubel umfängt sie. -
D'Aulon holt einen Arzt, ihre Wunde zu pflegen. Dann ruht sie aus. - Wein mit Wasser gemischt ist ihre einzige Labe, die einzige Stärkung des ganzen Tages. "Schlaf wohl, Tochter Gottes, schlaf wohl!"...

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