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Am Königshof

Jeanne la Pucelle - Johanna, die Jungfrau, wie sie von jetzt ab genannt wird - stand offensichtlich unter Gottes Schutz. Ein böser Anschlag unwilliger Fahrtgenossen, denen es zu wenig dünkte, ein Mädchen zu geleiten, wurde verhindert. Gott lenkte ihr unwiderstehlich die Herzen zu, daß man von nun an freudig gehorchte. Weder schlechte Wege, noch Hochwasser, noch Räuberhorden schreckten die Jungfrau ab, die so oft den anderen Mut zusprach. So langte man am 6. März 1429 in Chinon an. Wunderbar ist das Erkennen Johannas. Beim Empfang auf dem Königsschloß will man sie irreführen, sie aber findet den Dauphin unter allen heraus. Als Zeichen ihrer Sendung von Gott offenbart sie ihm seine Gebete, beruhigt ihn über seine Zweifel, tut ihm kund, daß sie gekommen sei, sein Königreich zu retten. Da schenkt der König ihr Glauben. Es wird ihr ein Gemach in seinem Schlosse angewiesen, er übergibt sie der Obhut einer der edelsten Frauen am Hofe und bestimmt Ludwig von Coutes ihr als Pagen. Bald nun tritt Jeanne den Großen des Reiches näher, immer die weibliche Würde wahrend, aber furchtlos und bestimmt. So werden ihr Freunde und Feinde im Rate des Königs. Die Guten halten sich zu ihr, wer aber eigenes Interesse über das Wohl des Ganzen stellt, wird ihr lauteres Wesen nicht verstehen können, ja, sie hassen. Marie von Anjou, die junge Gemahlin des Dauphins, und der Herzog von Alençon gehören zu den ersteren, wie auch der Beichtvater des Dauphins Gérard Machet, anders aber verhalten sich Georg von la Trémoïlle, der mächtige Günstling von Karl VII. und Regnault von Chartres, Erzbischof von Reims und Frankreichs Kanzler.

Eine bedeutsame Unterhaltung findet zwischen dem Dauphin und Jeanne in Gegenwart von la Trémoïlle und dem Herzog von Alençon in den ersten Tagen statt. Wir müssen uns dabei in das Feudalwesen der damaligen Zeit versetzen. Jeanne bittet Karl, sein Königreich dem König des Himmels zu geben; "denn", fügt sie hinzu, "wenn die Übergabe einmal geschehen ist, wird der König des Himmels für Sie arbeiten, wie er es für die Vorgänger getan hat und wird Frankreich wieder in den Zustand versetzen, in dem es in der Vergangenheit war." Und dann schließt sie die dringliche Bitte an, allen zu verzeihen, die gegen ihn gewesen sind oder ihm ein Leid zugefügt haben, alle in Demut freundlich aufzunehmen, es sei Freund oder Feind. Trémoïlles Pläne waren letzterer Forderung zuwider. Nach diesen Grundsätzen mußte er eine Aussöhnung zwischen dem Dauphin und dem Connetable Arthur von Richemont befürchten. War er es doch, der Undankbare, der zwischen ihnen Zwietracht gesät! Nur durch Richemont war er beim Dauphin eingeführt worden. Zwar wollte dieser ihn ablehnen. "Ihr übergebt ihn mir", sagte er abwehrend, "und werdet es eines Tages bereuen, denn ich kenne ihn besser als Ihr." Und so geschah es, Tremoïlle ruhte nicht eher, bis Richemont vom Hofe verbannt war und hinderte fortwährend mit allen erdenklichen Mitteln die Annäherungsversuche des im Grunde treuesten Vasallen, wie wir in der Folgezeit noch sehen werden.



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Prüfung und Ausrüstung

Es handelte sich um eine Tat von weltgeschichtlicher Bedeutung. Der Dauphin durfte sich als der verantwortungsvolle Repräsentant von Frankreichs Krone unter keinen Umständen vor anderen Nationen bloßstellen. So ordnet er die genaue Prüfung von Jeannes Aussagen durch hervorragende Geistliche und Laien an; ihre Sitten läßt er durch die Mutter seiner Gemahlin, Königin Yolande von Sizilien, überwachen; Boten schickt man in die Heimat des Mädchens, über sie und die Familie nachzuforschen. Alles fällt zur Zufriedenheit aus. Der König aber beruhigt sich noch nicht. Ein erweiterter Rat tritt in Poitiers zusammen, der soll den Glauben der Jungfrau prüfen. Jeanne wird dorthin beschieden. Ein paar Züge seien vermerkt. Der Erzbischof Regnault von Chartres führt den Vorsitz, ein Unterpfand, daß die Prüfung kritisch ist und Jeanne keinen leichten Stand hat. Die Sitzungen finden im Hause eines bedeutenden Rechtsgelehrten, Jean Rabateau statt, im nämlichen, wo Jeanne Wohnung genommen hat und zahlreiche Besuche aus allen Ständen empfängt.

Alle Kreuz- und Querfragen der gelehrten Theologen beantwortet das junge Mädchen voll Treffsicherheit; den Spitzfindigkeiten begegnet sie mit einem Anflug von Heiterkeit.

Wilhelm Aymeri, Dominikaner:
"Du erklärst, daß die Stimmen dir sagen, Gott wolle das Volk Frankreichs aus der Not, in der es sich befindet, retten. Wenn er es befreien will, braucht er keine Bewaffnete."
Jeanne: "Im Namen Gottes, die Soldaten kämpfen und Gott verleiht den Sieg."

Seguin von Seguin, Dominikaner: "Welche Sprachen sprechen deine Stimmen?"
Jeanne: "Eine besser als die Eurige ist." (Er war nämlich von Limosin, dessen häßlicher Dialekt bekannt ist.)
Seguin von Seguin: "Glaubst Du an Gott?"
Jeanne: "Besser als Ihr!"
Seguin von Seguin: "Nun wohl, Gott verbietet uns, deinen Worten Glauben zu schenken, wenn du nicht durch ein Wunder beweisest, daß du auf seinen Befehl hin handelst. Wir raten gewiß nicht dem König an, dir auf deine einfache Behauptung hin eine Armee anzuvertrauen und in Gefahr zu stürzen."
Jeanne: "Im Namen Gottes, ich bin nicht nach Poitiers gekommen, um Wunder zu wirken; aber führt mich nach Orleans, da zeige ich die Wunder, um derentwillen ich gekommen bin. Man gebe mir eine beliebige Anzahl Soldaten und ich werde die Belagerung dieser Stadt aufheben."

Dreizehn Tage dauerten die Verhandlungen; am Schlusse konnte man nicht umhin, als Endergebnis zusammenzufassen: "Es hieße dem Heiligen Geiste widerstehen und sich der Hilfe Gottes unwürdig machen, wollte man noch länger zögern."

Die Waffenrüstung wird vom Dauphin in Tours beordert. Nur das Schwert lehnt Jeanne ab. Es ist ihr eines aufbewahrt - so künden die Stimmen - drüben in der Kirche der hl. Katharina von Fierbois, nahe beim Altar. Fünf Kreuze führt es im Wappenschild. - Man sendet hin, niemand weiß davon. Gottes Geheimnis umhüllt es noch. Doch siehe! Man sucht, sucht lange und entdeckt endlich in der Nische der Wand eine alte Truhe: verrostete Schwerter sind darin, auch jenes mit den Kreuzen. Keine lange Reinigung ist vonnöten: wie von selbst fällt der Rost ab.

Klick: Bild 94kB: Jeannes Banner
Auch die Fahne entstammt himmlischem Geheiß. Erst hatte sie sich nur ein Wappenschild gewählt: blau der Grund - weiß die Taube, die darüber schwebt, und die Losung:
"De par le Roy du Ciel." St. Michael und die Heiligen schreiben anders vor:
Jesus Christus im Glorienscheine. Seine Rechte streckt er zum Segen aus; seine Linke hält die Weltkugel, überragt vom Kreuze. Zwei Engel knien anbetend zur Seite, opfern eine Lilie. Die Parole, aus der Ewigkeit geholt: "Jesus, Maria." Und die Kehrseite: die Verkündigung: ein Engel auf den Knien vor der Jungfrau zu Nazareth mit dem Erlösungsgruße: Ave Maria! Oben das Wappen Frankreichs, von zwei Engeln getragen, unten das selbstgewählte Wappenschild: "De par le Roy du Ciel", auf weißem Felde lauter Lilien von Gold...

St. Katharina und St. Margareta loben nach der Fertigstellung durch Hennes Polnoir das junge Mädchen: "Weil du gehorcht hast und den König des Himmels auf dein Banner malen hießest, nimm es ohne Furcht und trage es mit kühnem Mut!"

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